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© CNL

Jean-Paul Jacobs

Esch/Alzette Berlin ()

Jean-Paul Jacobs besuchte die Gymnasien in Echternach und in Esch/Alzette. Nach dem Abitur 1959 studierte er an den Cours supérieurs in Luxemburg und an der Universität Bonn Musikwissenschaften, Geschichte und Latein. 1965 leitete er ein Jahr lang die Lichtspielhäuser Rex und Empire in Esch/Alzette. Dann kehrte er nach Bonn zurück, wo er verschiedene Gelegenheitsarbeiten annahm. Ende 1966 lud ihn der Schriftsteller H.C. Artmann, den er bei den Mondorfer Dichtertagen kennengelernt hatte, nach Berlin ein, wo Jean-Paul Jacobs in einer Künstlerkommune wohnte. Er arbeitete drei Jahre als Nachtwächter bei der Bahnhofsmission und nahm verschiedene Tätigkeiten auf dem Bau und in Fabriken wahr. Von 1973 bis 1975 arbeitete er im Musikarchiv des Radiosenders RIAS, von 1975 bis 2006 war er Mitarbeiter der Staatsbibliothek zu Berlin.

Erste Texte von Jean-Paul Jacobs erschienen 1965 im Luxemburger Wort sowie in der von Cornel Meder herausgegebenen Heftreihe impuls. Jean-Paul Jacobs schrieb bis auf den französischsprachigen Erzähl- und Gedichtband Spectres in deutscher Sprache. In den Erzählungen der 1960er Jahre verbindet Jean-Paul Jacobs in parodistischer Absicht Ideologiekritik mit literarischen und filmischen Mustern der Popularkultur wie Krimi-, Spionage- und Pornoroman. Jean-Paul Jacobs' Lyrik steht in der Tradition der sprachbewussten und -experimentellen Lyrik der österreichischen Gruppe 61. Mit ihr teilt er das Anliegen, dichterische Sprache durch formale, sprachliche und semantische Irritationen von alltäglichen Erstarrungen zu erneuern. Das provokative Bild, die schiefe Metapher und die absurde Idee sind ebenso Ausdruck dieser poetischen Haltung wie die Komik und die Ironie, die in den Neologismen, aber auch in Nonsense-Gedichten zum Tragen kommen. Der seinen Gedichten und Erzählungen innewohnende Gestus der Übertreibung ist einer Poetik der Groteske und einer Schockästhetik geschuldet. Jean-Paul Jacobs entwirft Bildkonstellationen, in denen Sexualität, Perversionen, Provokationen und die Bohème zwischen großstädtischer Verfeinerung des Lebens, imaginiertem adligen oder bourgeoisen Milieu und dem Verfall der Sitten als Spiel dargestellt werden. In der Tradition von Marquis de Sade und Pier Paolo Pasolini entfaltet er ein Panoptikum der Sexualpraktiken und der Rede darüber. Die erste Veröffentlichung von Jean-Paul Jacobs in luxemburgischer Sprache war zugleich der Beginn einer Trilogie von imaginierten Telefongesprächen mit Roger Manderscheid, der den Erstling von Jean-Paul Jacobs illustriert hatte und mit dem ihn eine lange Freundschaft verbindet.

Wiederkehrend in der Poesie von Jean-Paul Jacobs, vor allem ab 2004, als er für den Gedichtband Jenes Gedicht & Mit nichts mit dem Prix Servais ausgezeichnet wurde, sind die (selbst)ironischen Entwürfe des Dichters in einem gesellschaftlichen Umfeld, das Poesie als Zeitvertreib duldet. In Rollengedichten, die oft vor der Kulisse der europäischen Höfe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts stattfinden, kontrastiert er das Begehren von Dichtern nach gesellschaftlichem Aufstieg und sozialer Anerkennung mit der melancholischen Erfahrung, lediglich ein Bänkelsänger in den Augen sozial höher gestellter Personen zu sein. Die lyrische Rede entwickelt sich seit den 2000er Jahren zu einem ambivalenten Machtspiel zwischen dem marginalisierten, aber persuasiven Dichter und den gesellschaftlich dominanten, aber vergänglichen Angerufenen. Ebenso zwiespältig ist das Machtverhältnis zwischen Dichter und Mäzen, das eine weitere rekurrente Konstellation in den Gedichten von Jean-Paul Jacobs ist. Dabei schöpft das Dichtersubjekt aus dem ungebrochenen Glauben an die Unvergänglichkeit der Poesie seine Zuversicht, dass die Dichtung politische Akteure übersteht. Hierarchische Strukturen im Allgemeinen werden aufgezeigt in den 31 Bonmots Friedrich des I. an seine Lakaien, die im Anhang des Gedichtbandes ruhmeshalle – entrechats – am kamin stehen.

Jean-Paul Jacobs greift in seiner Lyrik auf Wortpointen, groteske, skurril-extravagante und preziös-ausgesuchte Bilder zurück. Formal ist der hohe Grad an Referentialität hervorzuheben: Zitate, Anspielungen, Widmungen, Anrufungen und intertextuelle Verbindungen zu den (überwiegend europäischen) Dichtern – H.C. Artmann, Charles Baudelaire, Samuel Beckett, Stéphane Mallarmé, Eugenio Montale, Rainer Maria Rilke, Arthur Rimbaud, Paul Valéry oder François Villon – lassen poetische Koordinatensystem entstehen, die für das Verständnis der eigenen Lyrik Orientierung geben. Jacobs verweist zudem auf die Kulisse höfischer Kultur und der Musikwelt von Renaissance bis zur Wiener Klassik.

Jean-Paul Jacobs' Lyrik erschien überwiegend in deutschen, schweizerischen und österreichischen Anthologien wie Diesmal mit Trinksprüchen (1966), Luchterhands Loseblatt-Lyrik (1966/67), Gleisweise (1985), Die klassische Sau (1986), Paris Bar Berlin (2000), in Grafikpressen wie dem Rixdorfer Bilderbogen oder in Literaturzeitschriften wie Areopag, edition et, manuskripte, Das Gedicht, das pult. In Luxemburg veröffentlichte er in Anthologien (Nachrichten aus Luxemburg, Petite Anthologie de la poésie en langue allemande au Luxembourg, Neue Texte, Nach Berlin, Schriftbilder, D'Waasser am Mond, Zwischenland! Ausguckland!, Literaresch Welten), Zeitungen, Zeitschriften und Schriftreihen wie Die Warte-Perspectives, Les Cahiers luxembourgeois, Art et lettres oder doppelpunkt. Der Gedichtband Jenes Gedicht & Mit nichts wurde 2005 mit dem Prix Servais ausgezeichnet. Jean-Paul Jacobs war Mitglied des LSV. Zu Goethes 250. Geburtstag listete Jean-Paul Jacobs Werke von Komponisten aus der Goethezeit auf (Le Concert imaginaire. Konzert für Goethe. Berlin 1999). Er stellt regelmäßig unbekannte und vergessene Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts in Sendungen auf Radio 100,7 vor. Kurz vor seinem Tod erschienen 2016 mehrere kleine Lyrikhefte im Privatdruck.

Dieser Artikel wurde verfasst von Claude D. Conter

Veröffentlichungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Arts et lettres. publication de la Section des arts et des lettres de l'Institut grand-ducal
    Verwendete Namen
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  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
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  • Titel der Zeitschriften
    Doppelpunkt
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    Jean-Paul Jacobs
  • Titel der Zeitschriften
    Et. Publikationsreihe von Einzelblättern der Edition Et
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  • Titel der Zeitschriften
    Gedicht (Das). Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik
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  • Titel der Zeitschriften
    impuls. Luxemburger Textversuche
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    Jean-Paul Jacobs
  • Titel der Zeitschriften
    Luxemburger Wort / d'Wort / LW
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    Jean-Paul Jacobs
  • Titel der Zeitschriften
    manuskripte. Zeitschrift für Literatur, Kunst, Kritik
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    Jean-Paul Jacobs
  • Titel der Zeitschriften
    pult (das). literatur, kunst, kritik
    Verwendete Namen
    Jean-Paul Jacobs
  • Titel der Zeitschriften
    Warte (Die) = Perspectives. Supplément culturel du Wort
    Verwendete Namen
    Jean-Paul Jacobs

Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • LSV - Lëtzebuerger Schrëftstellerverband [1986-2016]
  • Mondorfer Dichtertage

Archiv

  • CNL L-214
Zitiernachweis:
Conter, Claude D.: Jean-Paul Jacobs. Unter: , aktualisiert am 09.01.2024, zuletzt eingesehen am .