René Deltgen
Als drittes von vier Kindern wuchs der Sohn zweier aus dem Ösling ins Minett zugewanderter Bauern in Esch/Alzette auf, wo er zunächst die Volksschule besuchte und am Schultheater mitspielte. Anschließend besuchte er, dem ein kaufmännischer Beruf vorbestimmt war, auf Wunsch der Eltern die Industrie- und Handelsschule in Esch/Alzette. Doch die schauspielerischen Versuche in der Laienspielgruppe seines Förderes Joseph Hurt weckten in ihm den Wunsch, den Bühnenberuf zu ergreifen. Nach dem Abitur bewarb er sich gegen den elterlichen Willen an der Kölner Schauspielschule. Dort erhielt er eine Freistelle, wurde im zweiten Jahr Honorarschauspieler und ein Jahr später vom Intendanten Fritz Holl unter Vertrag genommen.
Nach der Theaterschauspielschule debütierte René Deltgen beim Film (Das Mädchen Johanna, 1934). Der Generalintendant Hans Meißner holte ihn dann an die Städtischen Bühnen nach Frankfurt, wo er auch bei den Römerberg-Festspielen 1936 auftrat. Im gleichen Jahr wechselte er an die Volksbühne Berlin. Zugleich spielte er in weiteren UFA-Filmen mit (Urlaub auf Ehrenwort, Der Grüne Kaiser, 12 Minuten nach 12) oder arbeitete als Synchronsprecher. Er galt als „Clark-Gable der UFA“ und war zudem abwechselnd bei den Filmkonzernen Tobis, Terra, Wien-Film und Bavaria unter Vertrag. 1939 wurde René Deltgen in Berlin zum Staatsschauspieler ernannt.
Im November 1943 kehrte er nach Luxemburg zurück und ließ sich bis September 1944 im Schloss Lauterborn bei Echternach nieder. Nach dem Krieg lebte er zunächst in Oberstorf im Allgäu im französischen Besatzungsgebiet, wohin seine Kinder evakuiert worden waren. Dort gründete er eine kleine Schauspielgruppe, die in französischer, später in englischer und deutscher Sprache Kabarett und Sketche aufführte, bevor er nach Luxemburg zurückkehrte. Im September 1945 begann dort der Prozess gegen René Deltgen wegen des Verdachts auf Kollaboration; vorgeworfen wurden ihm die beiden öffentlichen Aufrufe an die Luxemburger Bevölkerung, sich für den Anschluss an das Dritte Reich einzusetzen. Deltgen wurde zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt und verlor die luxemburgische Staatsbürgerschaft, die er erst 1952 nach sechsjähriger Staatenlosigkeit zurückerhielt. Nach einer vorzeitigen Entlassung begann er im September 1946 am Konstanzer Theater wieder mit dem Schauspiel, bevor Herbert Maisch ihn nach Köln an die Städtischen Bühnen holte. René Deltgen begann dort auch mit Regiearbeiten zeitgenössischer Stücke.
René Deltgen interpretierte mehr als 200 Rollen der Weltliteratur und spielte in fast 100 Abenteuer-, Kriminal- und Zirkusfilmen Rollen vom Lebemann bis zum Patriarchen, vom Liebhaber bis zum Draufgänger, vom Wehrmachtsoldaten bis zum Spion. Er wirkte in mehr als 30 nationalsozialistischen Unterhaltungsfilmen mit (Kautschuk 1938), in denen er vor allem die Rollen des Bösewichts, Exoten, Spions und Verräters besetzte, und spielte auch nach 1945 in zahlreichen Fernsehfilmen der Filmgesellschaften Berliner CCC-Film, Hamburger Real-Film und der Münchener Neuen Deutschen Filmgesellschaft mit. 1954 erhielt er den Filmpreis in der Kategorie „bester Hauptdarsteller“ für den Film Weg ohne Umkehr (1953). René Deltgen arbeitete zusammen mit Bernhard Minetti, Curd Jürgens, Gustav Gründgens, Marianne Hoppe und unter Regisseuren wie Veit Harlan, Bernhard Wicki oder Wolfgang Staudte. In der Nachkriegszeit war seine Stimme auch in zahllosen Hörspielen und -büchern, darunter die bekannte Hörreihe der Paul-Temple-Detektivgeschichten (NWDR und WDR 1949-1966). Auch schlüpfte er in die Rolle des Großvaters in Heidi, den er zudem auch im Spielfilm verkörperte. In den 60er Jahren wurde René Deltgen auch von den Münchener Kammerspielen, dem Hamburger Thalia-Theater und dem Wiener-Burgtheater verpflichtet, bevor er 1970 wieder an die Städtischen Bühnen nach Köln zurückkehrte. Ab 1965 mit der Hauptrolle in Arthur Millers Stück Alle meine Söhne am Städtischen Theater in Esch/Alzette begann seine schauspielerische und persönliche Rehabilitierung in der luxemburgischen Presse.
Um sich den Unterhalt zu verdienen, hielt er in den frühen Kölner Jahren Vorträge in Vereinen, rezitierte und schrieb für das Feuilleton über Großstadterlebnisse. Er setzte sich Ende der 20er Jahren mit der Bedeutung der Theaterkritik und der Schauspielausbildung auseinander. Vor allem in der Theaterzeitschrift Jonghémecht (1929, 1, S. 12-15; 1930, 2, S. 49-51; 1931, 1, S. 16-18) plädierte er für die Schaffung einer Nationalbühne nach deutschem Vorbild und für eine zunehmende Professionalisierung des Laienspiels. Zu diesem Zweck gab er in seinen Beiträgen konkrete Anweisungen an Regisseure und Spielleiter zur Optimierung des Amateurschauspiels. Zudem kommentierte René Deltgen im Herold, zwanglos erscheinenden Blättern für Jung-Luxemburgs Bühne der katholischen Jugendvereine, das Theatergeschehen.
Darüber hinaus war René Deltgen auch Dichter. In den Kölner Ausbildungsjahren schrieb er einige wenige Gedichte, darunter auch Gelegenheitsgedichte, die er in Les Cahiers luxembourgeois veröffentlichte. Er blieb aber in erster Linie Schauspieler und Rezitator, etwa auf Carl Zuckmayers 70. Geburtstag. Er nahm in den 30er Jahren an mehreren Theateraufführungen und Literaturabenden sowie an Veranstaltungen der „Luxemburger Gesellschaft für Literatur und Kunst“ teil, auf denen er u.a. Texte von Batty Weber vortrug, einem seiner bekanntesten Bewunderer in Luxemburg.
René Deltgens Leben und vor allem seine Schauspielkarriere unter den Nationalsozialisten stehen im Mittelpunkt des Theaterstücks En Escher Jong, das 2022 am Escher Theater uraufgeführt wurde. Zuständig für Text und Dramaturgie waren Frank Feitler und Kristof Van Boven. Das Stück baut auch auf dem Leseabend Der Fall René Deltgen auf, den Marc Limpach 2018 aus Gerichtsakten und anderen Dokumenten zusammengestellt hatte.
Sekundärliteratur
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Autor(in) Eugen Ewert
Jahr[1943] -
Autor(in) Pit Schlechter
Jahr1974 -
Autor(in) Jean-Paul Raths
Jahr1988
Mitgliedschaft
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Theaterreformbewegung
Archiv
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CNL AU-159
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CNL L-353
Fotogalerie
Conter, Claude D./Sahl, Nicole: René Deltgen. Unter: , aktualisiert am 09.01.2024, zuletzt eingesehen am .