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Foto: Ian De Toffoli


Foto:
© Philippe Matsas/CNL

Ian De Toffoli

Luxemburg

Pseudonyme: I.d.T.

Ian De Toffoli entstammt einer italienisch-luxemburgischen Familie. Er besuchte die Grundschule in Bridel und legte sein Abitur am Lycée Robert Schuman in Luxemburg ab. Anschließend studierte er französische Philologie und Kunstgeschichte an der Universität in Paris IV. 2011 promovierte er mit einer Abhandlung über die Rezeption der antiken Sprache und Kultur im Werk Claude Simons, Pascal Quignards und Jean Sorrentes. Seit den 2010er Jahren ist er freischaffender Künstler.

Seit seiner Studienzeit veröffentlicht Ian De Toffoli Rezensionen und Beiträge über zeitgenössische Luxemburger Literatur. Seit 2004 ist er Pariser Korrespondent und Literaturkritiker für d'Lëtzebuerger Land, seit 2010 schreibt er zudem für das Tageblatt und dessen Literaturbeilage Livres-Bücher. 2012 unterhielt er die Rubrik Les muses démembrées in Kulturissimo. Ian De Toffoli nimmt aktiv teil an der Debatte über die Funktion und Stellung der Luxemburger Literatur in der Gesellschaft. 2012 gründete er zusammen mit den Schauspielern Luc Schiltz und Pitt Simon den Literaturverlag Hydre. Von 2013 bis 2018 war er zudem Forschungsassistent an der Universität Luxemburg und gab dort Kurse in Narratologie und zeitgenössischem Luxemburger Theater. Er liefert Beiträge zu verschiedenen Universitätspublikationen, wie etwa die Analyse des luxemburgischen literarischen Feldes anhand des Werks von Gilles Ortlieb in Das Paradigma der Interkulturalität von Jeanne Glesener, oder einen Artikel über die Dramen Batty Webers in Anne-Marie Millims Batty Weber. Beide Bände erschienen 2017. 2019 war er gemeinsam mit Anne-Marie Millim Co-Herausgeber des Forschungsbandes Modernismen in Luxemburg, der Beiträge von Luxemburger Literaturwissenschaftlern wie Jeff Schinker und Elise Schmit enthält, die 2016 erstmals auf einer von den Herausgebern organisierten Konferenz an der Universität Luxemburg vorgestellt wurden. 2016 zeichnen Ian De Toffoli, Elise Schmit und Marc Limpach für eine Wiederaufnahme der Literaturzeitschrift Les Cahiers luxembourgeois verantwortlich, die bis 2008 von Nic Weber, De Toffolis Mentor und Verleger seiner ersten Romane, herausgegeben wurde. Ebenfalls 2016 gründete De Toffoli mit Dramaturgen aus Belgien, Lothringen und Luxemburg das Autorenkollektiv Le Gueuloir, dem u.a. auch Paul Mathieu und Nathalie Ronvaux angehören. Von 2018 bis 2022 war De Toffoli Präsident des Verbandes der Luxemburger Buchverleger.

Ian De Toffoli steht im Mittelpunkt der jungen Luxemburger Literaturszene, nicht nur aufgrund seiner dreifachen Rolle als Literaturwissenschaftler, Kritiker und Herausgeber, sondern vor allem auch als Romanschriftsteller, Kurzprosa- und Bühnenautor. Er schreibt in mehreren Sprachen, hauptsächlich jedoch auf Französisch.

Noch während der Schulzeit vollendet De Toffoli seinen ersten Roman, De solitudinis arte. Dieser erscheint 2001, vier Jahre später folgt Mauvais œil. Beide Romane zeichnen sich durch zahlreiche Referenzen auf antike Kultur und Literatur aus. Im Mittelpunkt stehen jeweils junge Einzelgänger die von einer überragenden, ja geradezu prätentiösen literarischen Laufbahn träumen, für deren Scheitern sie eine als oberflächlich und materialistisch empfundene Gesellschaft verantwortlich machen. Die Gedanken der Hauptfiguren und ihre Streitgespräche mit anderen handeln von der Stellung des Künstlers in der Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Zwängen einerseits und moralischen und ästhetischen Bedürfnissen andererseits. Wohl spielt De Solitudinis arte im Rom des Kaisers Augustus, doch nutzt der Autor den geschichtlichen Hintergrund für eine schonungslose Analyse unserer Kosumgesellschaft. Dies ist auch Hauptthema des Romans Mauvais œil, der im Paris der 2000er Jahre angesiedelt ist und von einem jungen Literaturstudenten handelt, der die Bekanntschaft eines Luxemburger Jurastudenten macht. Im Laufe der Erzählung entwickelt der Autor einen originellen Gründungsmythos für die Stadt Luxemburg. Klassische, biblische und mittelalterliche Einflüsse verweben sich zu einer Phantasmagorie, in der der Protagonist eine mysteriöse, bösartige Kraft zu erkennen glaubt, deren Ursprung er bis ins römische Gallien zurückverfolgt. Dieser moderne Gründungsmythos, welcher den Einfluss von Vergils Aeneis auf das Denken des Autors wiederspiegelt, bleibt einzigartig in der Luxemburger Literatur und lädt zu einem Vergleich mit Lucien Koenigs Lucilinburhuc ein.

Kurzgeschichten von Ian De Toffoli erschienen in den Anthologien der Walfer Bicherdeeg (2009, 2010, 2013 und 2014) und des Verlags Hydre (u.a. Fabula rasa, 2013), in der Zeitschrift Galerie, in Nikos Zompolas' Fotoband Luxembourg Volume II (2019) und in Fundstücke 2014/2015 des CNL. In letzterem Sammelband findet sich seine erste Erzählung in englischer Sprache. Anhand einer Begegnung zwischen zwei Obdachlosen entwickelt der Schriftsteller einmal mehr seine Idee eines zerstörerischen Materialismus und der ewigen Suche nach Anerkennung. Überdies nimmt die Idee eines Luxemburger Pluralismus eine wichtige Stellung in diesen Erzählungen ein, in denen sich persönliche Überlegungen des Autors als Enkel italienischer Einwanderer, Literaturrecherche, Förderung der Luxemburger Literatur und eigene literarische Schöpfungen vermischen (Les Travaux d'Énée (En partage, 2013) etwa, oder Yolanda (Cahiers luxembourgeois, 2017) sind Beispiele hierfür). De Toffoli regt des öfteren gemeinschaftliche Literaturprojekte an, an denen er sich auch selbst beteiligt, wie etwa Un cadavre exquis im Jahr 2016. Unter den zwölf Autoren befinden sich u.a. Guy Helminger, Raoul Biltgen und Jeff Schinker. Er ist Organisator von Lesungen wie "Impossible Readings", und selbst häufiger Teilnehmer von Leseveranstaltungen wie etwa Jeff Schinkers "Désœuvrés". Seine Texte, die seit jeher von den Dialogen zwischen den einzelnen Figuren leben, rücken so immer mehr in die Nähe von Bühnenstücken.

Seit 2009 widmet sich Ian De Toffoli vermehrt dem Genre des Drama. Er arbeitet mit Bühnenleitern wie Mikaël Serre, Jean Boillot, Florent Siaud, Alexandra Tobelhaim, Moritz Schönecker, Myriam Muller, Davide Sacco, Sophie Langevin, Anne Simon, Thierry Mousset und Carole Lorang zusammen. In diesem Jahr wird sein erstes Theaterstück, L'Annonce, im Rahmen einer Autorenresidenz am Centre des Arts pluriels in Ettelbrück uraufgeführt und anschließend am Nowy Teatr in Warschau gezeigt. Das Stück schaltet sich in den Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe ein, die einige Jahre später in Luxemburg legalisiert wird. In der Saison 2011/12 nimmt De Toffoli eine zweite Autorenresidenz am Théâtre national du Luxembourg wahr, an deren Ende seine Werke Microdrames und L'Homme qui ne retrouvait plus son pays aufgeführt werden. Microdrames stellt unterschiedliche Konstellationen zwischenmenschlicher Beziehungen vor, deren zentrale Dreierbeziehung im Tod der Frau gipfelt. In L'Homme qui ne retrouvait plus son pays diskutieren die Figuren über materielle und immaterielle Werte und die Möglichkeiten, sich eine eigene, erfüllende Identität zu schaffen. Durch Stilmittel wie Wortspiele und Mehrdeutigkeiten hinterfragt der Autor Gepflogenheiten und vermeintlich Selbstverständliches.

Als Bühnenautor nimmt Ian De Toffoli regelmäßig an nationalen und internationalen Projekten teil. 2014 wird seine Komödie De Simmer Fluch von der Musikschule der UGDA und dem Service national de la jeunesse am Großen Theater in Luxemburg aufgeführt. De Toffoli ist Mitglied des Theaterkollektivs Independent Little Lies, das engagierte Stücke aufführt und Dramakurse anbietet. Im Rahmen eines luxemburgisch-spanisch-italienischen Projekts schuf er gemeinsam mit dem katalanischen Bühnenautor Elies Barberà das mehrsprachige Werk 99% (Teatre Akadèmia Barcelona und Théâtre national du Luxembourg, 2015). Das Stück Migrant, das am Kasemattentheater gezeigt wurde, stellt die Nachfahren italienischer Auswanderer in den Mittelpunkt. Ebenfalls 2015 debütierte seine Readaptation von Ionescos L'Impromptu de l'Alma am Théâtre ouvert Luxembourg. 2016 war der Autor an Furcht und Wohlstand des Luxemburger Landes, einer Koproduktion des CNL, des Hydre Verlags und des Kasemattentheaters, beteiligt. Im gleichen Jahr erscheint das Stück Refugium mit Pitt Simon und Luc Schiltz, das die Einflussmöglichkeiten des Einzelnen in einer vermehrt dystopischen Gesellschaft debattiert. 2017 stellt die Gruppe um Ian De Toffoli, Olivier Garofalo, Nico Helminger und Jeff Schinker unter dem Titel Oh du do uewen, deem seng Hand an griechischen Mythen inspirierte Szenen vor. Ebenfalls 2017 erscheint Ian De Toffolis zeitgenössische Reinterpretation von Grimms Märchens Rumpelstilzchen (Théâtres de la Ville de Luxembourg). Im Rahmen des Theaterprojekts D'Kaz am Sak des Theaterensembles MASKéNADA schrieb und inszenierte Ian De Toffoli 2018 gemeinsam Luisa Bevilacqua das Stück Chez Inès, das in dem gleichnamigen Bierlokal in Düdelingen angesiedelt ist. Ende der 2010er widmet Ian De Toffoli mehrere Stücke dem Finanzplatz Luxemburg und der Anziehungskraft des Geldes. Der französischsprachige Monolog Tiamat, 2018 im Théâtre du Centaure und am Centre dramatique du NEST (Thionville) in einer Inszenierung von Jean Boillot aufgeführt, entwickelt sich zur Lebensbeichte eines korrupten Anwalts spätabends in einer Schenke. Anstelle eines harmonischen Ehelebens in seinem Wohnort in Lothringen nimmt der Jurist lange Anfahrtswege nach Luxemburg in Kauf und lässt sich schließlich gar in lukrative kriminelle Geschäfte verwickeln. Wolfgang Barth übersetzte den französischen Text ins Deutsche und 2021 erschien eine griechische Fassung in Buchform. Auch De Toffolis Stück 3 Schwësteren, inspiriert von Anton Tschechovs gleichnamigem Klassiker, das 2019 im Kasemattentheater uraufgeführt wurde, widmet sich der Stellung von Kultur und Kreativität in der Luxemburger Gesellschaft. Dem Drang nach künstlerischer Entfaltung stellt sich im Stück die lähmende Bequemlichkeit eines finanziell gut situierten, wenn auch langweiligen Lebens als Beamter entgegen. Die ersehnte Flucht in die Großstadt - bei Tschechov ist es Moskau, bei De Toffoli Berlin - bleibt im Kleinklein des provinziellen Alltags ein unerreichbarer Traum. Das luxemburgische Original wurde im gleichen Jahr von Elise Schmit ins Deutsche übertragen. Die deutschsprachige Komödie Staycation, 2021 im Kasemattentheater zu sehen, wirft schließlich einen Blick auf die Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf eine Arbeiterfamilie. Die Familie täuscht vom heimischen Wohnzimmer aus einen Urlaub in den Süden vor, die erhoffte Anerkennung in den sozialen Medien wird zum Gradmesser des Glücks und des gesellschaftlichen Erfolges.

In den 2020er Jahren mehren sich De Toffolis internationale Zusammenarbeiten, unter anderem mit den Stücken AppHuman (Théâtres de la Ville de Luxembourg und Théâtre de Liège, 2020), Confini (uraufgeführt vom ErosAntEros Ensemble in Ravenna und anschließend gespielt am Teatro della Tosse in Genua, beim Festival von Ravenna und am TNL, 2021), In-Two (2021, NEST), Terres arides (das Stück, 2021 uraufgeführt am Théâtre du Centaure Luxembourg, sollte Luxemburg 2022 beim Festival OFF in Avignon vertreten), Si vous voulez de la lumière (Montréal und Compiègne, 2022, 2023) und Dialaw Project (Le Monfort Théâtre Paris, Africologne, Festival Perspectives Saarbrücken, Théâtre des 13 vents, Centre Dramatique National de Montpellier und Théâtre-Cinéma de Choisy-le-Roi, 2022-2023).

2022 erschien unter dem Titel Trilogie du Luxembourg ein Sammelband mit De Toffolis Theaterstücken Terres Arides, Tiamat und Confins. Confins, ein Stück über frühere, heutige und künftige Migrationen, wurde unter dem Titel Confini von Agata Tomšič ins Italienische übersetzt und 2021 während des Campania Theaterfestivals in Neapel uraufgeführt. Hierin verarbeitet der Autor auch Erfahrungen seiner Großeltern, die in der Nachkriegszeit als Gastarbeiter nach Luxemburg gekommen waren. Aus Anlass des 65-jährigen Jubliläums der Römischen Verträge lieferte De Toffoli einen Einakter zu Jean-Paul Maes' Projekt Et geet ëm eng gëlle Kou, das im Rahmen von Esch2022 vom Kaleidoskop-Theater aufgeführt wurde.

De Toffoli nahm zahlreiche Autorenresidenzen wahr, so am Literarischen Colloquium Berlin (Herbst 2018), bei der Maison des auteurs des Francophonies – Des écritures à la Scène in Limoges (Herbst 2022) und, anlässlich des Festivals La Salle des machines, am Centre des auteurs dramatiques von Montréal (November 2022). Er war ebenfalls an einer Projektentwicklung, lanciert von der internationalen Kommission des Théâtre francophone en Suisse (Mai 2019) beteiligt. Seit der Saison 2022/23 ist De Toffoli assoziierter Künstler der Théâtres de la Ville de Luxembourg.

Als Theaterkritiker wie als Bühnenautor reflektiert De Toffoli auch in seinen wissenschaftlichen Analysen (Der Multiple Theatertext. In: Theater International 3, 2018) über den paneuropäischen Rahmen, in dem Dramaturgen heute operieren und über die sprachliche und subtextuelle Komplexität, die dieser mit sich bringt. Dabei betont er jedoch auch die Wichtigkeit der lokalen Ebene, die den Autoren ihre literarischen Themen liefert, so etwa 2019 in seiner Abhandlung Il faut être résolument local pour réussir, littérairement, à porter au jour l'universel in der Reihe Rede zur Literatur des Luxemburger Literaturarchivs.

Seine Theaterstücke werden in zahlreichen europäischen Ländern, unter anderem in Frankreich, Deutschland und Griechenland, aufgeführt, publiziert und übersetzt. Ein Auszug aus Microdrames wurde ins Slowenische übersetzt und in der Anthologie Hällewull publiziert (Ljubljana, 2014). Ein Auszug aus Mauvais œil erschien in der englischen Übersetzung von Sandra Schmit in Fundstücke/Trouvailles 2016/2017. 2021 erschien eine Erzählung im französischen Original sowie auf Englisch und Arabisch in der Anthologie Mir wëlle bleiwen, wat mir ginn / We want to remain what we become, die im Rahmen der Expo2020 in Dubai herauskam. De Toffoli selbst übersetzte 2013 unter dem Titel Pur à la loupe Rafael David Kohns Theaterstück Lupenrein auf Französisch, der Text blieb jedoch unveröffentlicht.

De Toffoli erhielt Auszeichnungen und Stipendien in Luxemburg und im Ausland, etwa eine Unterstützung von ARTCENA für Un héritage (2022) sowie den Förderpreis des Science and Theatre Festival des Heilbronner Theaters für AppHuman (2021).

Dieser Artikel wurde verfasst von Sandra Schmit

Veröffentlichungen

Sonstige Mitarbeit

Übersetzungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
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    Ian De Toffoli
  • Titel der Zeitschriften
    forum. fir kritesch Informatioun iwer Politik, Kultur a Relioun
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    Ian De Toffoli
  • Titel der Zeitschriften
    kulturissimo. mensuel culturel et socio-politique
    Verwendete Namen
    Ian De Toffoli
  • Titel der Zeitschriften
    Lëtzebuerger Land (d') / d'Letzeburger Land / LL. unabhängige Wochenschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur
    Verwendete Namen
    Ian De Toffoli
  • Titel der Zeitschriften
    Livres-Bücher. Un supplément du Tageblatt
    Verwendete Namen
    I.d.T.
  • Titel der Zeitschriften
    Tageblatt / Escher Tageblatt = Journal d'Esch. Zeitung fir Lëtzebuerg
    Verwendete Namen
    Ian De Toffoli

Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • A:LL Schrëftsteller*innen
  • CNLi - Conseil national du livre
  • Conseil national du livre (CNLi)
  • Le Gueuloir. Collectif d’auteurs transfrontalier

Archiv

  • CNL L-322
Zitiernachweis:
Schmit, Sandra: Ian De Toffoli. Unter: , aktualisiert am 02.12.2024, zuletzt eingesehen am .